In Schweden, das von Deutschland nur durch den Nachbarn Dänemark sowie die Ostsee getrennt ist, könnte schon im Jahr 2019 das erste virtuelle Geld Europas Einzug halten. Geplant ist zumindest ein Projekt namens E-Krone, die schwedische Alternative zum Bitcoin. In Sachen Geld war und ist Schweden schon immer ein Vorreiter gewesen. Bereits im Jahr 1661 wurde in Schweden Papiergeld genutzt, während der Rest Europas noch mit Münzen verschiedenster Art oder im höchsten Fall mit Kreditbriefen hantierten. Heute kann in Schweden praktisch alles mit Karte beziehungsweise mit der Bank-App auf dem Handy bezahlt werden, selbst Kleinigkeiten im Kiosk. In der Statistik werden sie hierbei nur noch vom Nachbarn Dänemark übertroffen. Die schwedische Krone als greifbare Währung schwindet immer mehr aus dem Alltag der Skandinavier.
Die deutsche Bevölkerung hingegen steht virtuellen Währungen und Zahlungen per Karte oder App eher kritisch gegenüber. Innerhalb der 28 europäischen Länder rangiert die BRD bezüglich Kartenzahlung auf dem fünftletzten Platz. Nur in Griechenland, Italien, Rumänien und Bulgarien wird noch weniger mit Karte bezahlt. Immerhin zeigt sich beim Online-Banking ein etwas besseres Bild, aber mit dem 18. Platz von 28 Ländern ist dies für ein technikaffines Land wie die Bundesrepublik immer noch nicht berauschend.
Deutsche lieben Bargeld
Zum Thema Bargeld führte die Ing-Diba Bank im Jahr 2017 eine Umfrage in 13 Ländern durch, darunter Deutschland, die USA, Australien, die Türkei sowie weitere EU-Länder. Dabei zeigten sich 84 % der in Deutschland befragten Personen als absolute Bargeldfreunde. Nur in Italien fanden sich mit 85 % noch mehr Bürger, die nie ohne Bargeld auskommen wollen. Der europäische Durchschnitt lag bei 76 %. Auch die EU-Kommission startete im selben Jahr eine ähnliche Befragung, die immer noch läuft. Es geht hierbei jedoch um die Begrenzung von Bargeldzahlungen zwecks Terrorismusbekämpfung. Die Antwort war bisher wohl eindeutig. Satte 94,94 % sprachen sich bis heute gegen eine Beschränkung von Barzahlungen auf EU-Ebene aus. Allerdings sind die Zahlen noch wenig repräsentativ, da bis jetzt nur sehr wenige EU-Bürger an der Online-Umfrage teilgenommen haben.
Wo liegen die Ängste?
Die weitaus meisten Menschen in Deutschland sehen in mangelnder Sicherheit das größte Problem bezüglich Kartenzahlung und virtuelles Geld wird so oder so eher als Spekulationsobjekt betrachtet, denn als echte Alternative zu Bargeld, was sich mit dem Bitcoin ja bestätigt. Ein anderer wichtiger Aspekt der ablehnenden Mehrheit findet sich in der Angst davor, über die Geldbewegungen verstärkt kontrolliert zu werden. Seien es nun die Banken, die mit diesen Daten Geschäfte machen oder der Staat, der so seinen Bürgern unverhältnismäßig stark auf die Finger sieht.
Ganz unbegründet sind diese Ängste nicht, denn immer wieder tauchen Fälle auf, bei denen zum Beispiel Hacker die Kreditkartendaten von Banken abfischen. Immerhin betrug etwa im Jahr 2015 der Schaden durch Kreditkartenbetrug weltweit rund 22 Milliarden US-Dollar. Dummerweise oder vielleicht glücklicherweise lässt sich nicht feststellen, wie viel Bargeld in diesem Zeitraum weltweit gestohlen wurde, sodass ein direkter Vergleich Bargeld / Kreditkarte nicht möglich ist. Aber auch wenn es möglich wäre, würde der Vergleich hinken, denn Bargeld ist unpersönlich, die Daten auf einer Kreditkarte nicht.
Auf der anderen Seite besteht beim Verlust der Kreditkarte und dem dadurch verlorenen Geldbetrag die Chance, das Geld wieder zu erhalten. Dabei sind die führenden Banken in den letzten Jahren gegenüber ihren Kunden wesentlich kulanter geworden, teils aus eigenem Antrieb, hauptsächlich jedoch aufgrund der sogenannten Zahlungsdiensterichtlinie, der Payment Services Directive, deren zweite Version (PSD2) im Jahr 2015 durch die EU-Kommission verabschiedet und zu Anfang 2018 im deutschen Recht umgesetzt wurde. Hierin ist auch die Haftungshöchstgrenze im Schadensfall für den Kreditkartenkunden auf 50 Euro festgesetzt. Zudem hat sich die Beweislast umgekehrt. Früher musste der Kunde der Bank beweisen, dass er oder sie sich ordnungsgemäß im Umgang mit der Kreditkarte verhalten hat, was in vielen Fällen praktisch nicht möglich war. Heute steht die Bank in der Nachweispflicht. Kann sie dem Kunden keinen unsachgemäßen Umgang nachweisen, muss der verlorene Betrag auf dem Kreditkartenkonto erstattet werden.
Es spricht doch alles für virtuelles Geld, oder nicht?
Tatsächlich hat das Kreditkartenwesen in vielen Bereichen das Leben vereinfacht, was selbst die größten Kartenmuffel zugeben müssen. Nur wer ein sehr einfaches und bescheidenes Leben führt, kann mit den Vorzügen der Karte als Bargeldersatz nichts anfangen. Vor allem im Segment des Auslandstourismus darf die Kreditkarte durchaus als Segen betrachtet werden. Wurden früher mitunter recht große Bargeldsummen mitgeschleppt, die den gesamten Ferienetat abdeckten, oder umständliche Travellerschecks, so ist es heute ein kleines Stück PVC-Kunststoff, mit dem sich an weltweit rund 3,5 Millionen Geldautomaten Bargeld abheben lässt oder in unzähligen Geschäften direkt bezahlt wird. Tragbare Terminals mit Akkubetrieb erlauben es sogar, an dem einen oder anderen Flohmarktstand seine Einkäufe mit Karte zu bezahlen.
Ängste aus vergangener Zeit
Warum gerade in Italien und in Deutschland eine so starke Bevorzugung von Bargeld zu sehen ist, hat vielleicht historische Gründe. Die beiden Länder waren im Zweiten Weltkrieg zunächst die einzigen Verbündeten, woraus sich die Bezeichnung „Achse Berlin-Rom“ ergab. Später kam noch Japan hinzu. Interessanterweise tritt das Phänomen der Bargeldbevorzugung auch in Japan auf. Dort werden selbst größere Beträge in Geschäften überwiegend in Bar bezahlt und die Anzahl an Geldautomaten hält sich für das High-Tech-Land sehr in Grenzen. Diese drei Achsenmächte hatten bekanntermaßen den Zweiten Weltkrieg verloren und die Bevölkerung aller drei Länder musste für den Wahnsinn ihrer jeweiligen Regierungen schwer büßen. Hunger, Flucht, die Scham der Niederlage und der totale Verlust jeder Habe waren über Monate und Jahre der Alltag der Menschen in Japan, in Italien und in Deutschland. Solche Erlebnisse prägen und vererben sich, durchaus auch noch bis in die zweite Nachkriegsgeneration hinein.
Es kann also noch locker eine Generation dauern, bis sich das virtuelle Bezahlen per Karte durchsetzt, wobei es Aufgabe des Gesetzgebers sein muss, die Freiheit des Bürgers zu gewährleisten, speziell die Freiheit seiner persönlichen Daten.