Es ist kaum zu übersehen, dass hier den wirtschaftlichen Vorteilen Vorrang vor dem Wohl der Tiere gegeben wird. Leider besitzt der gesetzlich geregelte Tierschutz keine lange Tradition in Deutschland. Zwar besteht das Gesetz selbst seit 1933, es war jedoch bis 1972 mehr oder weniger Makulatur. Erst in diesem Jahr erfolgte eine Neufassung aufgrund von Veröffentlichungen, die die Missstände in der Landwirtschaft, in Schlachtbetrieben, aber auch bei Tierversuchen in Laboren aufzeigten. Es dauerte noch einmal dreißig Jahre, bis der Tierschutz in das Grundgesetz aufgenommen wurde. Trotzdem finden sich nach wie vor viele Lücken, vor allem aufgrund der mitunter schwammigen Formulierungen im Tierschutzgesetz.
Vernünftige Gründe, ein Tier leiden zu lassen?
Eigentlich beinhaltet der letzte Satz des § 1 des Tierschutzgesetzes alles notwendige, denn er lautet, Zitat: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Zitat Ende. Was kann ein vernünftiger Grund sein, einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen? Logisch betrachtet kann es nur einen Grund geben, einem Tier Schmerzen zu bereiten, indem Schmerzen gelindert werden, also etwa durch das setzen einer Betäubungs- oder Narkosespritze. Als weiterer Grund wird die Erprobung von Stoffen genannt, also Tierversuche. Das ist ein Bereich, der zu Kontroversen führt. Fraglos konnte die Wirkung vieler Impfstoffe oder anderer notwendiger Medikamente nur aufgrund von Tierversuchen festgestellt werden.
Auf der anderen Seite bietet heute die pharmazeutische Industrie für fast jedes Leiden eine Vielzahl von Medikamenten mit derselben Zielsetzung an. Für die Zulassung dieser Medikamente waren und sind jedoch mitunter Tierversuche vorgeschrieben. Das bedeutet, dass zum Beispiel für eine Gastritis zehn oder mehr verschiedene Medikamente angeboten werden. Alle zehn dienen der Linderung der Beschwerden und alle zehn sind zuvor durch Tierversuche auf ihre Verträglichkeit geprüft worden. Der Grund, warum die Ergebnisse einer Versuchsreihe nicht genutzt wird, um die anderen Medikamente zu entwickeln, liegt im Betriebs- und Geschäftsgeheimnis.
Jedes Unternehmen kann sich auf das Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis berufen, das zwar keinem Gesetz unterliegt, wohl aber höchstrichterlicher Rechtssprechung und ist damit sogar strafbewehrt. In dieser Form steht es über dem Tierschutzgesetz, was dazu führt, dass völlig unnötige Tierversuche durchgeführt werden.
Warum Behörden und auch der Gesetzgeber immer wieder offensichtliche Beeinträchtigungen des Tierwohls zulassen, lässt sich eigentlich nur mit der Einflussnahme der jeweiligen Branchenverbände erklären. Eine weitere Problematik ist in der niedrigen Kontrolldichte der Betriebe zu finden, die sich mit Tierhaltung und Verwertung beschäftigen. Es ist ein sehr geringer oder eigentlich überhaupt kein Trost, dass innerhalb Europas das deutsche Tierschutzgesetz relativ streng ist. Nur die Schweiz, Norwegen und Schweden sind vor allem in der Umsetzung wesentlich strikter.
Wie steht es mit dem Umweltschutz?
Deutschland war lange Zeit nicht nur in Europa ein Vorreiter in Bezug auf den Umweltschutz. So etwa beim Ausbau der erneuerbaren Energien oder der Einschränkung von Atomkraftwerken. Doch gerade in den letzten Jahren ist diese Vorreiterrolle ins Wanken geraten.
Immer öfter wird auch die Bundesrepublik von der EU-Kommission angemahnt, vorgegebene Ziele einzuhalten beziehungsweise beschlossene Infrastrukturmaßnahmen umzusetzen. So etwa die europäische Richtlinie für den Aufbau von Elektrotankstellen, die eigentlich bereits im Jahr 2016 in deutsches Recht umzusetzen war. Zwei Jahre später zeigt sich, das Deutschland weit hinterher hinkt. Aktuell kommt auf 11.800 Einwohner gerade einmal eine Elektroauto-Ladestation. Dabei hapert es vor allem an der gleichmäßigen Verteilung. Besitzer von E-Fahrzeugen etwa in Hamburg oder Berlin haben keine Probleme, eine öffentliche Ladestation zu finden.
In den ländlichen Regionen hingegen sieht es mitunter düster aus. Im ersten Quartal 2019 bestehen in der gesamten Bundesrepublik rund 13.400 öffentliche Ladestationen, wobei hier das Wort „öffentlich“ nicht ganz richtig ist, da in der sogenannten Ladesäulenverordnung, genauer im § 2 Punkt 9, die Definition einer öffentlich zugänglichen Ladestation so formuliert ist, das auch Ladestationen dazu gezählt werden, die nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich sind.
Genauso wie bei den Ladestationen hinkt die Bundesrepublik beziehungsweise die Bundesregierung wie auch die Fahrzeughersteller ihren selbst gesteckten Zielen hinterher. So sollten im Jahr 2020 rund eine Million E-Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Aktuell, im Frühjahr 2019, sind es gerade einmal 150.000 reine E-Fahrzeuge
Noch mehr Baustellen bezüglich Umweltschutz
Auch beim einsammeln von Elektroschrott ist Deutschland ins Hintertreffen geraten. Selbst das EU-Minimalziel von 45 % Gesamtsammelquote wurde in den letzten Jahren nicht erreicht. Wiederum hängt es an der Umsetzung der EU-Richtlinien, die in diesem Fall so kompliziert in deutsches Recht umgewandelt wurden, dass so mancher willige Verbraucher aufgibt und alles einfach im Haus- oder Sperrmüll entsorgt.
Etwas anders gelagert ist das Problem bei der Änderung des Düngegesetzes im Jahr 2017. Der Anlass zur Änderung war eine EU-Klage im Jahr 2016 gegen Deutschland aufgrund zu hoher Nitratwerte im Grundwasser. Am 21. Juni 2018 verurteilte der Europäische Gerichtshof Deutschland aufgrund der Verletzung der EU-Nitratrichtlinie. Wie beim Tierschutz mangelt es bei der Durchsetzung des Düngegesetzes schlicht an Kontrollen und wirksamen Sanktionen. Das gibt sogar das Umweltbundesamt auf seinen eigenen Webseiten im Internet zu.
Das sind nur einige Beispiele, die Liste ist noch länger. Der öffentliche Druck muss jedoch größer werden, damit sowohl Gesetze wie auch deren Durchsetzung dem Umwelt- und Tierschutzgedanken wirklich Rechnung tragen.