Dämmen ist wichtig
Zu dieser Aussage stehen alle Hausbesitzer und Bewohner, auch wenn eine Dämm-Maßnahme aufgrund des Lärmes, der Kosten und des Schmutzes nicht gerade beliebt ist. Die Heizkosten sinken aber messbar, die Bewohner sparen deutlich dabei. Der Besitzer kann die Wohnungen teurer vermieten, staatliche Auflagen zur Wärmedämmung muss er ohnehin erfüllen. Dämmen erfolgt größtenteils mit Styropor, ausführende und liefernde Unternehmen sind in Deutschland unter anderem Sto, Baumit, DAW und Brillux. Sie werben für die Dämmung und haben als Prominenten hierfür den Fernsehmoderator und Journalisten Ulrich Wickert gewinnen können, der mit absolut seriöser Ausstrahlung dafür wirbt, unsere Häuser warm einzupacken – was prinzipiell nicht verkehrt ist. Welches Material für die Wärmedämmung gemeint ist, erwähnt er nicht ausdrücklich.
Die gesamte Konstruktion trägt den euphemistischen Namen Wärmedämmverbundsystem (WDVS), davon kleben inzwischen knapp eine Milliarde Quadratmeter an deutschen Häuserwänden. In Werbekampagnen nicht erwähnenswert, aber höchst relevant ist ihre Zusammensetzung: In 75 % aller Fälle steckt hinter dünnem Putz Styropor, der aus expandiertem Polystyrol besteht. Der Kunststoff wird vom Hersteller BASF als „verpackte Luft“ bezeichnet, weil wirklich 98 % der Platte Lufteinschlüsse sind, die nur zwei Prozent Kunststoff ummanteln. Die Luft ist für die Dämmung bekanntermaßen Gold wert. Doch das kugelförmige Kunststoffgranulat wird aus Rohöl gewonnen. Das kritisieren Experten wie der Architekt Christoph Mäckler schon länger. Es klebe Erdöl an unseren Wänden, so der Fachmann, und zwar fünfmal so viel, wie das Styropor in der Endverwendung wiegt. Die Umweltbilanz ist denkbar schlecht.
Warum Styropor?
Das Material dämmt gut und ist dabei billig. Wer die Dämmwerte nach der Energieeinsparverordnung erreichen will, muss mit Styropor im Dachbereich ~13 EUR/m² bezahlen, mit Glaswolle wären es etwa 17 Euro, mit Einblaszellulose 18 Euro und mit Hanf oder Flachs über 30 Euro. Der Kostenvorteil macht alle anderen Argumente nebensächlich. Da nach den Plänen der Bundesregierung bis 2050 unsere Gebäude zu 90 Prozent komplett gedämmt sein sollen, käme auf uns noch viel mehr Styropor zu. Die Dämmung wird gefördert, die Förderung richtet sich nur nach der Heizkostenersparnis. Die Frage des verwendeten Baustoffs spielt nirgendwo eine Rolle.
Nachteile von Styropor
Neben der Entsorgung als Sondermüll hat Kunststoff den schwerwiegenden Nachteil, dass er nicht atmen kann. Das zieht extrem den Schimmel an. Die Wärme bleibt im Raum, die äußere Oberfläche der Gebäude kühlt nachts rapide ab und lässt Feuchtigkeit kondensieren. Im entstehenden Tauwasser gedeihen Schimmelpilze, Bakterien und Algen. An manchen Außenfassaden wird schon wenige Monate nach der Styropor-Dämmung grau-grüner Schimmel sichtbar, doch auch innen leiden die Wände sehr stark darunter. Bewohner können dem nur mit massivem Stoßlüften begegnen, was wiederum die Heizkostenersparnis deutlich relativiert. Die Baustoffindustrie hat das Problem erkannt und mischt Biozide und Algizide in Dispersionsfarben und Kunstharzputze, doch Regen wäscht diese Mittel aus. Einige der Wirkstoffe wie Diuron oder Terbutryn sind extrem giftig und gelangen ins Grundwasser. Technische Lösungen wie das Verkapseln der Biozide auf Mikroebene helfen nur bedingt. Fachleute empfehlen daher Mineralfarben und ebenso mineralische Putze. Doch auch hier steht der Verwendung wieder das Kostenargument gegenüber.
Kostspielige Langzeitfolgen
Die beim Dämmen eingesparten Kosten kommen früher oder später auf die Immobilienbesitzer zu, weil die Styropor-WDVS-Dämmung nicht ewig hält. Einige Jahrzehnte übersteht sie zwar, doch dann wird es teuer. Die Sanierung eines einzigen Quadratmeters kann nach endgültigem Verschleiß bis zu 1.300 EUR/m² kosten. Dieser Verschleiß bleibt nicht aus, denn die Umwelt, aber auch Vögel und Fußbälle setzen der Fassade zu. Einige Hersteller bieten deren frühzeitige Sanierung an, aber auch das kostet. Die Entsorgung von Styroporplatten ist zudem extrem teuer. Unter anderem wurde dem verwendeten Polystyrol noch bis 2013 das Brandschutzmittel HBCD (Hexabromcyclododecan) beigemischt, das sehr giftig ist. Die moderneren Alternativen sind auch nicht viel ungiftiger. Der Transport der leichten, aber großvolumigen Styroporplatten ist aufwendig, es kommt eins zum anderen. Nicht zuletzt dämmt die Schicht oft gar nicht so gut, wie versprochen wird. Dass nicht zuletzt die Styroporverpackung einer einst schicken Backsteinfassade eine optische Schande ist, bedauern vor allem Architekten, aber auch Einwohner zutiefst.
Alternativen zu Styropor
Es gibt mehrere Alternativen, die vor allem dann sehr interessant erscheinen, wenn die Kosten wirklich gründlich kalkuliert werden und Bauherren beachten, dass Styropor bei Weitem nicht so gut dämmt wie versprochen. Umweltfreundliche Auswege bieten:
- wärmedämmende Ziegel
- Stein- oder Glaswolle
- Schilf
- Hanf
- Strohballen
- Holzspäne
Der Marktanteil der Ökodämmstoffe liegt in Deutschland leider bislang deutlich unter zehn Prozent. Das liegt an den oben dargestellten Kosten, die aber relativ zu betrachten sind. Darüber hinaus sind die Vorteile gigantisch. Die Wärmedämmung funktioniert zumeist genauso gut wie mit Styropor, darüber hinaus atmen die Stoffe, Schimmel und Algen sind keine Themen mehr. Der Energieaufwand bei der Herstellung ist kleiner, die Verarbeitung leichter. Nach dem Abriss einer Immobilie können diese Stoffe erneut verwendet oder kompostiert werden. Es gibt viele Bioquellen für Dämmstoff, sogar auf dem Wasser. So hat beispielsweise der emeritierte Architekturprofessor Richard Meier im Meer Seegraskugeln entdeckt, die sich zum Dämmen eignen. Überall sind sie nicht zu finden, Meier stieß auf sie beim an der Costa Blanca beim Kitesurfen, wo sie die Wellen herangespült hatten.
Die ursprüngliche Pflanze ist die Posidonia oceanica, die eine reinigende Funktion im Wasser übernimmt und eine bemerkenswerte Eigenschaft auch in trockenem Zustand hat: Sie ist aufgrund silikathaltiger Fasern schwer entflammbar. Das ist ein entscheidender Vorteil gegenüber sehr vielen anderen Ökodämmstoffen. Diesen werden oft Borsalze als Brandhemmer zugegeben. Das Seegras hat noch weitere wichtige Eigenschaften, es ist auch schimmelresistent, trocknet schnell und speichert hervorragend Wärme. Meier entwickelte daraus den Dämmstoff „NeptuTherm“, dessen Ökobilanz bemerkenswert gut ausfällt. Seine Verarbeitung ist zudem kinderleicht, das senkt die Kosten. Das ist nur ein Beispiel für diverse Naturprodukte, die sich zum Dämmen besser eignen als Styropor.
Fazit
Wärmedämmung lässt sich umweltfreundlicher als mit einem Material auf Kunststoffbasis realisieren. Die Vorteile ökologischer Dämmstoffe erschließen sich erst allmählich, doch für die Zukunft ist zu erwarten, dass Styropor allmählich verschwindet. Bauherren sollten heute schon an die Folgekosten denken.